the long goodbye

Zeit, sich zu verabschieden

 

Natürlich:

Das wird jetzt chaotisch

Am Abend nach der Onkologiebesprechung

Sitze ich am Schreibtisch

Höre Tom Liwa über Kopfhörer

Und versuche mich langsam zu betrinken

Während ich das hier tippe

 

Ab und zu kommt Nora, unsere Hündin,

und stuppst mich an

während sie mir fragend in die Augen guckt

Meine Frau Claudia kommt immer wieder und umarmt mich vorsichtig

Sie will mich nicht stören

Und ist hilflos

Aber ich kann ihr heute nicht helfen
Heute nicht…

 

Wahrscheinlich wird dies mein letzter Blogeintrag. Ich werde diese Homepage noch einmal aufräumen und dann ruhen lassen:
Ich brachte eh wenig in letzter Zeit und weitere Texte über Verfall und Ende bringen nichts. Mir nicht und euch nicht.
Und ich befürchte, dass dieses Schlusskapitel nicht lustig wird…

 

„Operation, Chemo, Bestrahlung, Immuntherapie…“
Der Doc nannte Möglichkeiten, ist ja auch sein Job

Ich schüttelte meinen Kopf
„Nicht mehr … Ich kann und will nicht mehr…“

 

Viele meiner Gedichte sind einfach zu lang:
Ich finde kein Ende

Ich befürchte

Jetzt wird das ähnlich laufen

Vielleicht wird das jetzt ein langer Abschied

Wenn es schon sein muss

Dann hätte ich es jetzt gerne etwas schneller

 

Ich hab jetzt nur noch ein Ziel zu erreichen

Und krieche zur Finish-Line

 

 

Hab ich jetzt im Endeffekt verloren?

Hey Krebs! Einigen wir uns auf Unentschieden!

 

17 Jahre (Göttin! 17 Jahre!)

habe ich dir den Mittelfinger gezeigt

Die ersten zwei Jahre waren ein harter Kampf

Aber ich nahm ihn auf

und lebte mit meinen Wunden und Nebenwirkungen

und ich lernte die Liebe meines Lebens kennen

und heiratete (ICH! Damit habe ich viele Menschen überrascht…)

und lebe immer noch glücklich mit meinem Engel

seit beinahe 15 Jahren

und ich weiß

dass sie leidet und hilflos ist

Ich hoffe

Ihr werdet sie begleiten

Und ihr helfen

 

Ich habe Bücher veröffentlicht

solange möglich noch Lesungen gemacht

und ich habe vor allem gelebt

 

Die letzten zwei Jahre waren schmerzvoll

und scheiße

Und wahrscheinlich wird der Schluss jetzt auch nicht toll

Aber es gab verdammt gute Zeiten

und Momente voller Liebe und Poesie

 

Jetzt gebe ich auf

Aber verdammt nochmal:

Fick dich, Krebs!

Ich war ein harter Gegner!

 

Unentschieden?

 

 

Keine Ahnung

Ob da noch was kommt von mir

Ich denke nicht

 

 

Und wenn es dann wirklich vorbei ist?

Auf keinen Fall ein Pfaffe

Alles andere ist mir beinahe egal

Ich hätte es gerne anonym

aber Claudia braucht einen Platz

zum Erinnern und Trauern

und das ist auch okay

 

Ansonsten:

Feiert!

Ich habe die Schmerzen hinter mir

und die waren und sind jetzt nicht witzig

Und:

Leben ist wunderbar und schön

aber eben irgendwann vorbei

 

Solange ich irgendwo in euren Gedanken bin

Solange ihr an mich denkt

Werde ich weiterleben

 

Aus meinen Fingern fließt schon wieder BlaBla

So kennt ihr mich

 

Ich hör jetzt mal auf…

 

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Kommentare: 8
  • #1

    Lore Katharina Diel (Freitag, 11 Oktober 2024 09:10)

    Das hast du schön gesagt, ich wünsche dir alles erdenklich gute.
    Dankeschön
    Liebe Grüße aus Stuttgart

  • #2

    Dominik (Freitag, 11 Oktober 2024 11:01)

    Traurig deine Worte zu lesen. Du wirst fehlen! Ich wünsche euch Kraft.

  • #3

    Volker Kuhn (Freitag, 11 Oktober 2024 11:01)

    Meine Freundin Angela, mit der ich mich gerade gestern getroffen habe, spielt aktuell in Tom Liwas Leuchtturm-Band... es gibt also immer noch Connections ... ich denk an Dich

    Alles Liebe
    Volker

  • #4

    Sybille (Freitag, 11 Oktober 2024 11:51)

    Lieber Hermann,
    dem Arschlochkrebs ein extralanger Mittelfinger und Dir alles Liebe.
    Komm' gut durch dein letztes Kapitel.
    Sy

  • #5

    Sylvie (Freitag, 11 Oktober 2024 23:17)

    Möge ganz viel Liebe und Unterstützung Deinen weiteren Weg pflastern und Dir einen guten Schlussakkord ermöglichen ☺️�
    Bin in Gedanken mit Dir - und mit Claudia ❤️‍�❤️‍�❤️‍�❤️‍�❤️‍�❤️‍�

  • #6

    Eckhard (Samstag, 12 Oktober 2024 11:08)

    Möge dir dein letzter Weg leicht werden, lieber Hermann!

  • #7

    Hardy (Samstag, 12 Oktober 2024 14:17)

    Lieber Hermann,
    manchmal denke ich an die wilde social-beat Zeit. Wie wir nach den Lesungen bei dir übernachtet haben, dir den Kühlschrank leergesoffen und -gegessen, dir die Bude vollgequarzt und wir bis zum Morgen gelabert haben. Nicht mit Wehmut denke ich daran, sondern eher wie an einen lustigen Film, den ich vor langer Zeit mal gesehen habe und in dem du die Hauptrolle gespielt hast. Danke dafür!
    Hast tapfer gekämpft, und mehr als bewiesen, das Totgesagte länger leben!

  • #8

    Stefan Gaffory (Montag, 14 Oktober 2024 09:57)

    Lieber Hermann,

    du bist eine beeindruckende Persönlichkeit, und es hat mein Leben bereichert, dich kennengelernt zu haben.
    Tut mir leid, daß es nie geklappt hat, daß wir uns nochmal treffen, hätte mich gefreut; bedauerlich, daß ich es war, der seinen Hintern nicht hochbekommen hat.
    Ich wünsche dir viel Kraft für den Weg, der noch vor dir liegt, und verabschiede mich hiermit auch schonmal. Als Agnostiker habe ich zumindest eine vage Hoffnung, daß man sich nochmal irgendwo begegnet; das wäre notwendig, denn wir haben noch einiges nachzuholen, vor allem, was gemeinsames Musikhören angeht.
    Das macht mich traurig, und mir fehlen grad die weiteren Worte.
    Bevor ich ins Schwafeln komme, ganz schlicht und einfach:

    Machs gut!

    Stefan